Ehrenamtler Thorsten berichtet über seine Arbeit und Erfahrungen
Mein Engagement im Hospiz
Eine Herzensangelegenheit - Meine Arbeit im Hospiz
Ich arbeite nun seit 2019 ehrenamtlich im Hospiz St. Marien in Nippes. Ich kann gar nicht so recht erklären, warum es mich bei meiner Suche nach der für mich passenden ehrenamtlichen Tätigkeit dorthin verschlagen hat. Doch schon während des mehrmonatigen Befähigungsseminars , das unter anderem auch deshalb so viel Zeit in Anspruch nimmt, um für sich selbst herauszufinden, ob es die passende Herausforderung ist, spürte ich, dass ich dort hingehöre. Beispielsweise habe ich herausgefunden, dass Ruhe, Gelassenheit und Geduld Tugenden sind, die sehr hilfreich für die Ausübung dieses Ehrenamtes sind. Und so habe ich bei diesem Bericht nicht so sehr auf die Länge geachtet. Wer sich für dieses Ehrenamt interessiert, sollte die Muße mitbringen, auch ein paar Zeilen mehr zu lesen.
Ich habe bislang mehrere Aufgaben übernommen. Das ist zum einen der Kontakt mit den Gästen des Hauses, zu dem ich gleich ein Beispiel schildern werde. Zum anderen aber war ich als Hilfe beim Küchendienst beim Abendbrot im Einsatz, habe bei den Besucher*Innen Fiebergemessen und ihnen die Besuchsregeln während Corona erklärt, habe eine Zoom-Schalte eingerichtet für ein Gruppengespräch des Hauses mit den Ehrenamtlichen, habe die Elektronik der Orgel in der hauseigenen kleinen Kapelle wieder in Schwung gebracht und ein Klavierkonzert eines anderen Ehrenamtlers für die Gäste des Hauses betreut.
Für mich ist es wichtig, dass ich die Mitarbeiter*Innen des Hauses derart unterstützen kann, dass sie mehr Zeit haben für die Bedürfnisse der Gäste des Hauses. Welche Aufgaben ich dann übernehme, ist mir nicht so wichtig. Wenn es sich ergibt, dass ich selber für Ablenkung der Gäste in Gesprächen und anderen Dingen (wie etwa Kurzausflüge, Spaziergänge, Vorlesen, etc.) habe, freue ich mich, denn letztlich ist es die erfüllendste Aufgabe. Das folgende Beispiel verdeutlicht vielleicht ein wenig, worin diese Erfüllung für mich liegt.
Es geht um einem Gast, zu dem ich häufiger Kontakt hatte. Ich nenne ihn für diesen Bericht Klaus. Klaus war in etwa in meinem Alter, Anfang 50. Er litt an Krebs. Er war nun schon längere Zeit Gast im Hospiz, schon fast ein halbes Jahr. Das ist sehr viel - die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Nippesser Hospiz liegt zumeist eher bei bis zu 21 Tagen. Sein Krankheitsverlauf verschlimmerte sich zur Überraschung aller äußerst langsam, so dass sogar die Krankenkasse prüfte, ob er einer der seltenen Fälle sei, die nach einem Hospizaufenthalt wieder nach Hause entlassen werden solle. Zum einen, der Kosten wegen, zum anderen, um ihm noch einige Momente in seinem gewohnten Umfeld zu ermöglichen.
In diesem Fall war es nicht einfach, denn seine Wohnung war bereits aufgelöst, und wohl auch aufgrund dessen entschied sich die Krankenkasse, dass er weiter im Hospiz bleiben könne. Klaus war bereits einige Monate dort, als ich ihn kennenlernte. Er war früher an mehreren Orten in Köln in der Gastronomie tätig, und da sein körperlicher Zustand es zuließ, fragte mich eine Mitarbeiterin des Hauses, ob ich sie und ihn bei einem Ausflug zu seinen früheren Arbeitsstätten begleiten möge. Eine kräftige Begleitung war alleine deswegen notwendig, weil Klaus ein paar Kilo mehr wog und das Schieben des Rollstuhls im Rahmen eines Ausflugs für die Mitarbeiterin nicht realisierbar gewesen wäre. Wie ich etwa feststellen konnte, ist es abenteuerlich, mit einem Rollstuhl am Bahnhof Deutz von Gleis zu Gleis zu kommen. Ich hatte am Abend lange Arme.
Der Ausflug führte uns unter anderem in die Flora, wo uns ein Mitarbeiter erlaubte, einen Blick in den zu dem Zeitpunkt geschlossenen Veranstaltungssaal zu werfen. Er und Klaus tauschten sich in einem kurzen Plausch über Klaus` ehemalige Kollegen aus, von denen heute noch einige im Einsatz sind, und ich merkte, wie Klaus in diesem Gespräch aufblühte. Wir fuhren auch zum Deutzer Messegelände, wo er ebenfalls jahrelang in der Gastronomie gearbeitet hatte. Dort blieb uns zwar ein Blick ins Innere verwehrt. Doch unser Rückweg von der Schäl Sick nach Nippes führte uns mit der S-Bahn über den Rhein. Klaus schaute aus dem Fenster, und plötzlich winkte er nach draußen: „Ach, ming Stadt, maach et jood“, und Tränen flossen über seine Wangen.
Die Hospizmitarbeiterin nahm ihn in den Arm und meinte: „Schau, auch wenn Du bald nicht mehr da sein wirst, wird der Rhein weiter fließen, und die Stadt wird weiter bestehen. Deine Stadt wird immer da sein.“ Die Worte trösteten ihn, und als wir wieder im Hospiz waren, war Klaus zwar völlig erschöpft, aber auch voller Dankbarkeit. „Vielen Dank, dass ich das alles noch einmal sehen durfte“, meinte er beim Abschied, und in seinen Augen konnte ich sehen, wieviel ihm dieser Ausflug bedeutet hatte. Eine Woche später schenkte er mir ein Bild, auf dem wir alle drei auf der Hohenzollernbrücke zu sehen waren. Er hatte es extra organisiert, dass er mir dieses Bild auf seinem Handy für mich als Erinnerung auf Fotopapier übergeben konnte.
Klaus´ gesundheitlicher Zustand veränderte sich bald. Als seine Tochter ihr Kind geboren hatte und Klaus sein Enkelkind in seinen Armen halten konnte, ging es rapide bergab mit ihm. Es war fast so, als hätte sein unbändiger Wunsch, das eigene Enkelkind noch kennenzulernen, die Krankheit in seinem Körper in Schach gehalten. Als dieser Wunsch in Erfüllung gegangen war, konnte Klaus loslassen und die Krankheit übernahm nun das Zepter. 14 Tage später war er gestorben.
Die Erfahrungen aus diesem und zwei weiteren Ausflügen, die Chance, jemandem auf dem letzten Weg noch einen Wunsch zu erfüllen, die Herausforderungen emotionaler Art und organisatorischer Natur, die Dankbarkeit in den Augen des Gastes - es waren so viele Dinge, die ich hier gar nicht alle aufführen kann, die mich aber in meiner Ansicht bestätigten, dass ein Hospiz zwar ein Platz für die letzten Stunden des Lebens ist, aber eben kein Ort des Sterbens. Für mich ist es ein Ort des Lebens. Und es erfüllt mich, mithelfen und beitragen zu können, dass dieser letzte Weg auch freudvolle Momente beinhalten kann.
Dies ist ein Beitrag von unserem Ehrenamtler Thorsten.